Nach mehr als fünf Jahren in der Mache erscheint Watch_Dogs endlich am 27.05. diesen Jahres. Nachdem Entwickler Ubisoft bereits bei der E3 2012 mit erstem Anschauungsmaterial für hochgezogene Augenbrauen sorgen konnte, ist die Gamer Gemeinde gebührend heiß auf das Release. Und dazu gibt es – gemessen an den Verheißungen des Titels – allen Grund.

Die Story

Der Spieler schlüpft in die Rolle von Aiden Pearce, einem umtriebigen Hacker-Ass aus Chicago – dem Schauplatz der Story. Die Vorgeschichte ist jene, dass Aiden in seiner Zeit als Internetbetrüger auf einen Ring für Menschenhandel gestoßen ist. Allerdings nicht ohne dass er dabei selbst bemerkt wurde. Die anschließende Verfolgung von Aiden einschließlich der Bedrohung seiner Familie mündete darin, dass seine 6-jährige Nichte Lena getötet wurde.

Von da an sinnt Aiden auf Rache. Da er selbst jedoch nicht gerade auf der gesetzestreuen Seite der Bürgerschaft Chicagos steht, ist dies ein Kampf, den er alleine und auf seine Weise zu führen gedenkt. Was ihm dabei umfassende Handlungsmöglichkeiten einräumt, ist sein Zugang zur sogenannten ctOS Datenbank. Diese überwacht ganz Chicago und erstellt detaillierte Profile über alle Bürger. Zudem kann man über ctOS schnellen Zugriff auf städtische Strukturbestandteile gewinnen (z.B. Kameras, Ampeln, Straßenspeeren etc.). Bewaffnet mit einem Smartphone und allerlei Schießeisen zieht Aiden eine knallharte Vendetta auf, für deren Erfolg seine technischen Fähigkeiten mindestens genauso wichtig sind wie ein ruhiger Finger am Abzug.

Radikal digital

Eine ganz zentrale Rolle im Game spielen natürlich Aidens herausragende Fähigkeiten als Hacker. Dabei ist sein Smartphone nicht nur ein Menü Interface, sondern dient ihm als Fenster zur digitalen Welt. Während man über die Straßen schlendert, kann man so ziemlich jeden seiner Chicagoer Mitbürger ausspähen. Man erfährt etwas über den Hintergrund jeder ins Visier des Smartphones genommenen Person und kann deren Kontostand ermitteln. An selbigem kann man sich natürlich großzügig bedienen, wenn man mit den Kontodaten einen Geldautomaten aufsucht. Ob man sich dabei eher an die Lobbyisten und Mafiabosse dieser Welt hält oder an arglose alleinerziehende Mütter, ist durchaus von Bedeutung. Denn Aidens Reputation als Untergrund Hacker wird im Laufe des Games festgehalten (unter anderem in Form von Zeitungsberichten). Ob man mit der Zeit also eher als Robin Hood oder skrupelloser Kleptomane gilt, hängt von den eigenen Entscheidungen ab. Je schlechter dabei der eigene Ruf wird, desto weniger zögern die Bürger Chicagos, die Polizei zu rufen, sobald Aiden irgendwie auffällt.

Das Smartphone deckt aber noch so einiges mehr auf. Man kann die Textnachrichten seiner Mitmenschen ausspähen oder aber laufenden Handy Konversationen lauschen. Außerdem kann man anhand der Profiler Eigenschaften des ctOS manchmal Menschen ausmachen, die entweder im Begriff sind, ein Verbrechen zu begehen oder Opfer eines Verbrechens zu werden. Heftet man sich dann an die Sohlen eines potentiellen Opfers bzw. Täters, kann man diesen Verbrechen Einhalt gebieten, was natürlich sehr hilfreich ist, wenn man eher einer der guten Jungs sein will. Allerdings werden die Cops wenig Verständnis für derlei Selbstjustiz aufbringen. Insbesondere deshalb, weil häufig Waffengewalt bei diesen selbstlosen Taten ins Spiel kommt.

Überhaupt wird man bei vielen Gelegenheiten im Spiel auf der Flucht sein. Mal wird man von Polizisten, mal von Gangstern und mal von anderen dubiosen Häschern gejagt. Auch dabei bewähren sich die Hacking-Fähigkeiten von Aiden. Wenn man seinen Verfolgern beispielsweise den Weg abschneiden oder sie (durch geschicktes Timing) aus dem Verkehr ziehen will, dann lässt man kurzerhand die Straßenspeeren mittels Hacking ausfahren oder löst ein Verkehrschaos an der nächsten Ampel aus. Auch um überhaupt einen fahrbaren Untersatz zu bekommen, leistet das Smartphone als Hacking Tool gute Dienste.

Interessante Gameplay Mixtur trifft grandioses Setting

Würde ich meine bisherigen Eindrücke von Watch_Dogs anhand bekannter Titel beschreiben müssen, dann hätten wir da eine Idee Assassin’s Creed, eine Prise Deus Ex, einen guten Schuss Far Cry 3 und mindestens vier gehäufte Esslöffel GTA. Unterm Strich verspricht Watch_Dogs ein interessantes Spielerlebnis, das man so noch nicht gehabt hat. Das Ganze vor einem grandiosen Setting. Schaut euch das Video weiter unten an und ihr werdet sehen, was ich meine. Chicago wirkt unglaublich organisch und echt, was in Kombination mit den hoffentlich exzellenten Sandbox Elementen in Sachen Bewegungsfreiheit und Handlungsmöglichkeiten für eine bemerkenswert dichte und authentisch wirkende Spielwelt sorgt. Soweit der überwiegend klar positive Ersteindruck.

Zugegeben – die Vorhersage von Verbrechern und Verbrechensopfern anhand des ctOS Profilings ist ein Aspekt des Spiels, der ziemlich an den Haaren herbeigezogen wirkt. Nicht etwa wegen des Klischees, dass man sich als Teilzeit-Superheld einen Namen macht. Aber die Idee, dass ein digitales Profil zuverlässig Verbrecher und Opfer vorhersagt und man diesen nach Sichtung nur in die nächste dunkle Seitengasse folgen muss, ehe sich diese Prognose bewahrheitet … das wirkt einfach unglaublich konstruiert und schon ein wenig albern. Den Aspekt der Verbrechensbekämpfung hätte man etwas authentischer einbinden können, als mittels eines banalen Vorgangs, der im Spiel wie folgt aussieht: „Oh mein Gott! Mein Telefon sagt der ist böse …. dem lauf ich jetzt mal nach ….“

Watch_Dogs erscheint zum angekündigten Termin sowohl auf PC als auch auf PS4, PS3, Xbox One und Xbox 360. Einzig und allein WiiU Besitzer werden sich ein wenig gedulden müssen. Für Nintendos derzeitiges Flaggschiff wird der Titel erst später erscheinen. Wer auch mit literarischen Spin-Offs von Videospielen etwas anfangen kann, darf sich außerdem auf ein Ebook zum Spiel freuen. Dieses wird zeitlich nach der Story des Spiels angesiedelt sein und hat auch einen anderen Protagonisten als Aiden. Man muss es also nicht lesen, um bei der Handlung des Spiels durchzublicken.

Das könnte richtig gut werden. Einzig und allein der mit über fünf Jahren recht lange Entwicklungsprozess macht mir ein wenig Sorgen. Lange Entwicklungszyklen haben in der Vergangenheit so manchen groß angekündigten Titel unter die Räder kommen lassen. Allerdings sahen von denen längst nicht alle so interessant aus wie Watch_Dogs.